Neuer E-Bike-Akku defekt – woran könnte es liegen?

Neuer E-Bike-Akku defekt – woran könnte es liegen?

Juli 22, 2020 Projektgeschichten 0
Jan Hetzel zeigt mit dem Finger auf ein Kabel auf einem geöffneten E-Bike-Akku.

So ein Pech: Herr Föll und seine Frau haben an Ostern in einem großen Kaufhaus ein E-Bike gekauft. Die Freude war zuerst groß, beim ersten Laden haben die Fölls aber festgestellt, dass der Akku nicht funktioniert. Auch nach mehreren Versuchen ließ er sich nicht aufladen.

Das Kaufhaus versprach den Fölls zwar einen Ersatzakku auf Gewährleistung, bisher ist dieser allerdings wegen Lieferengpässen beim Hersteller in China nicht in Deutschland angekommen.

Damit Frau Föll nicht weiterhin ohne Unterstützung durch den Elektromotor mit dem E-Bike radeln muss, hat sich Herr Fäll an mich gewandt und gefragt, ob ich mir den E-Bike-Akku einmal anschauen und vielleicht sogar reparieren könnte. Selbstverständlich hat Herr Föll das Kaufhaus vorab um Erlaubnis für einen Reparaturversuch bei dem defekten E-Bike-Akku gefragt. Sonst hätte seinen Anspruch auf einen Ersatzakku verloren.

Normalerweise habe ich keine Endkunden bei mir in der Firma, da ich Akkus und Batterien für Geschäftskunden entwickele und liefere. In diesem Fall habe ich aber gerne eine Ausnahme gemacht, weil ich Herrn Föll gerne helfen wollte und natürlich auch ziemlich neugierig war, wie der E-Bike-Akku in China genau gebaut wurde.

Wie der Rettungsversuch ablief und ob ich es geschafft habe, den E-Bike-Akku zu reparieren und wieder zum Laufen zu bringen? Das könnt ihr euch im Video anschauen. Oder ihr lest weiter unten Schritt für Schritt nach, wie ich bei der Diagnose des defekten E-Bike-Akkus vorgegangen bin. Mit den vielen Bilden ist das fast wie bei einem Fotoroman… 😉

NEUER E-Bike-Akku kaputt! Rettungsversuch durch Batterie-Experten (wird er es schaffen?)

Ursachenforschung am Akku

Erst einmal möchte ich herausfinden, was mit dem E-Bike-Akku nicht stimmt, um ihn eventuell reparieren zu können. Das kann grundsätzlich verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel könnte die Sicherung durchgebrannt sein, die Schutzelektronik, also das Batterie-Management-System (häufig mit BMS abgekürzt) des Akkus, könnte defekt sein oder in den Schutzmodus geschaltet haben, es könnte sich irgendwo im Akku ein Stecker gelöst haben oder die Zellen selbst sind tiefentladen und deswegen am Ende ihrer Lebensdauer.

1. Die Spannung am Ausgangsstecker

Um einen ersten Anhaltspunkt zu bekommen, was mit dem Akku los ist, messe ich die Spannung am Ausgangsstecker des Akkupacks. Dazu nutze ich ein Multimeter und behelfe mir mit zwei Metallstücken, weil ich keinen passenden Gegenstecker für den Akku dahabe. Dabei gehe ich sehr vorsichtig mit den Metallstücken um, sodass sich diese nicht berühren, um keinen Kurzschluss auszulösen.

Mit einem Multimeter wird bei einem E-Bike-Akku mit grünem Gehäuse die Spannung gemessen.
Am Ausgangsstecker des Akkupacks messe ich eine Spannung von 0,2 V. Das ist viel zu wenig.

Das Messgerät zeigt am Ausgangsstecker des Akkus nur wenige Millivolt an. Das sieht schon einmal nicht so gut aus.

2. Die Sicherungen im Akkupack

Bei diesem Akku sind Sicherung von außen ziemlich leicht zugänglich, deswegen schaue ich mir die als Nächstes an.

Eine Sicherung wird mit einer Pinzette von der Oberseite eines Pedelec-Akkus herausgezogen.
Hier an der Oberseite des Akkupacks stecken die Sicherungen. Ich ziehe sie einfach mit einer Pinzette raus.

Ich stelle fest, dass sogar zwei Sicherungen verbaut sind. Um zu überprüfen, ob die Sicherungen durchgebrannt sind, verwende ich wieder das Multimeter, das ich dieses Mal auf Durchgangsprüfung gestellt habe.

Durchgangsprüfung bei der Sicherung einer E-Bike-Batterie.
Das Messgerät piepst, die Sicherungen sind also noch gut.

Das Multimeter piepst, als ich die Sicherungen messe. Die beiden Kontakte der Sicherung sind also noch leitfähig verbunden. Die Sicherung ist intakt und damit auch nicht die Ursache für die Probleme mit dem E-Bike-Akku.

3. Der Schutzmodus der Schutzschaltung

Da es sein könnte, dass die Schutzschaltung des Akkupacks in den Schutzmodus gegangen ist, versuche ich als Nächstes, diese freizuschalten. Dazu lege ich eine externe Spannungsquelle an den Akku an und muss leider feststellen, dass nichts passiert.

Sie sehen, dass Sie nichts sehen. Die Behelfslösung mit den beiden Metallteilen am Anschlussstecker solltet ihr bitte nicht zu Hause nachmachen 😉

Als ich mich zum ersten Mal mit Herrn Föll über seinen Akku unterhalten hatte, war eine ausgelöste Schutzschaltung mein erster Verdacht. Schade!

4. Sichtprüfung der Elektronik

Soweit also die Diagnose, die ich von außen am Akkupack vornehmen konnte. Da ich die Ursache bisher nicht finden konnte, muss ich den Akkupack jetzt aufschrauben und mir das Innenleben genauer anschauen.

Nachdem wir alle Torx-Schrauben entfernt haben, kann ich den sogenannten Corepack aus dem Gehäuse ziehen. Der Corepack ist praktisch die komplette Batterie, eingepackt in einen Schrumpfschlauch.

Der Corepack wird aus dem Gehäuse des E-Bike-Akkus herausgezogen.
Herr Föll schaut zu, wie ich den Corepack aus dem Gehäuse ziehe. Jetzt wird es spannend!

Für mich für war dann relativ schnell ersichtlich, wo sich das BMS, also die Schutzelektronik des Akkus befindet und wo ich den Corepack sicher mit einem Cutter-Messer öffnen kann. Ganz vorsichtig setze ich das Messer an und schneide den Schrumpfschlauch auf. Dabei achte ich darauf, dass ich keine der Zellen oder gar eine Litze oder ein Kabel erwische, damit es nicht zu einem Kurzschluss kommt und berühre die Elektronik nicht mit den Fingern.

Schrumpfschlauch des Corepacks einer E-Bike-Batterie wird mit einem Cutter-Messer aufgeschnitten.
Vorsichtig schneide ich die Schrumpfschlauch des Corepacks auf…
Der Schrumpfschlauch um einen Pedelec Akkupack wird nach dem Aufschneiden entfernt.
… und ziehe den Schrumpfschlauch ab.

Mein erster Eindruck von diesem Akkupack ist sehr gut. Die Zellen sind mit Zellhaltern verbunden, das heißt, wir haben einen kleinen Abstand zwischen den einzelnen Zellen, so kann die Wärme besser abfließen. Das hilft gegen eine Überhitzung des Akkus, wenn man mit dem E-Bike einmal einen längeren Berg hochfährt oder den Akku schnell aufladen möchte.

Zellhalter, saubere Kabelführung, kein Heißkleber. Das gibt Bonuspunkte in der B-Note.

Die Elektronik sieht für mich auf den ersten Blick auch ganz gut aus. Da ist nichts wild mit Heißkleber verklebt und die Kabelführung ist sauber. Super!

5. Die Spannung der Zellen vor dem BMS

Ich möchte jetzt an den Stecker herankommen, an dem die einzelnen Zellen mit dem BMS verbunden sind. An diesem Stecker habe ich dann die Möglichkeit, die Spannung der einzelnen Zellen, aber auch die Gesamtspannung aller Zellen zu messen.

Als ich die Spannung einer einzelnen Zelle des Akkupacks direkt messe, muss ich feststellen, dass auch hier die Spannung nur wenige Millivolt beträgt. Eigentlich sollte die Spannung der Zelle bei mehr als 2,5 Volt liegen.

Messung der Spannung der Einzelzellen am Stecker vor dem Batterie Management System. Das Messgerät zeigt nur wenige Millivolt an.
Bei der Messung der Spannung einer Einzelzelle tut sich fast nichts auf dem Multimeter.

Die extrem niedrige Spannung ist ein klares Zeichen dafür, dass die Zelle tiefentladen ist. Auch die Gesamtspannung aller Zellen vor dem BMS liegt unter einem Volt. Die anderen Zellen scheinen also auch tiefentladen zu sein. Bei diesem Akkupack handelt es sich um einen 36 Volt-Akku. Die Gesamtspannung sollte deswegen bei mindestens 25 Volt liegen, das wären dann mindestens 2,5 Volt pro Zelle. Der Grund, warum der E-Bike-Akku defekt ist, liegt also sehr wahrscheinlich in der Tiefentladung der Zellen.

Ein defekter Akku bei einem neuen E-Bike, wie kann das sein?!

Jetzt ist natürlich die Frage, warum der Akku eines neu gekauften Fahrrads bereits tiefentladen ist. Wir haben ein wenig recherchiert und festgestellt, dass das E-Bike tatsächlich schon im Jahr 2017 gebaut wurde. Möglich ist, dass der Akku vor dem eigentlichen Zusammenbau des Fahrrads auch schon ein paar Monate im Lager lag. Der Seefracht-Versand von China nach Europa hat sicherlich auch noch ein paar Wochen in Anspruch genommen.

Der Akku ist also ungefähr drei bis fünf Jahre alt und das erklärt dann auch die Tiefentladung. Der Akku wurde zwar nicht aktiv genutzt, aber die Elektronik des E-Bikes hat trotzdem kleine Kriechströme entnommen. Daneben hat sich Lithium-Ionen-Akkus des E-Bikes ganz langsam von selbst entladen. Diese Selbstentladung ist völlig normal für Lithium-Ionen-Akkus und kann auch nicht umgangen werden. In meinem Blogbeitrag zum Thema Lebensdauer von Lithium-Ionen-Akkus erfährst du mehr dazu, warum ein Akku altert und wie man die Lebensdauer verlängern kann.

Grundsätzlich ist es bei einem Akku, der längere Zeit gelagert wird, wichtig, gelegentlich die Spannung zu messen. Alle 3 Monate ist ein guter Richtwert. Fällt die Spannung unter die Entladeschlussspannung – bei einem typischen Lithium-Ionen-Akku vom Typ 18650 sind das 2,5 Volt – sollte nachgeladen werden.

Vom Wiederbeleben der tiefentladenen Zellen rate ich Herr Föll aus Sicherheitsgründen dringend ab. Das ist zwar technisch möglich, wiederbelebte Lithium-Ionen-Akkus sind aber brandgefährlich.

Die Zellen auszutauschen ist zwar theoretisch möglich, lohnt sich finanziell nicht. Sie sind aufwendig miteinander verschweißt und der Austausch ist deswegen extrem zeitaufwendig. Und selbst nach einem Austausch ist nicht sicher, dass die Elektronik nichts abbekommen hat und der Akku deswegen auch mit neuen Zellen nicht funktioniert. Man könnte vielleicht sagen, dass der Akkupack so etwas wie einen wirtschaftlichen Totalschaden hat.

Leider kann ich also nicht wirklich etwas tun, um den defekten Akku zu reparieren. Frau Föll muss wohl oder übel noch ein wenig ohne elektrische Unterstützung weiterfahren und darauf warten, bis ein neuer Akku aus China eintrifft.

Mein Fazit zum Rettungsversuch eines defekten E-Bike Akkus

Der defekte Akkupack war an sich sehr sauber verarbeitet. Die Zellen sind aus dem Hause Panasonic, also nicht irgendeine Billigware. Die Kabel waren sauber verlegt, die Isolation war perfekt. Der Hersteller hat also gute Arbeit geleistet und der Akku war bei der Auslieferung sicherlich voll funktionsfähig. Nur über das BMS kann ich nicht so viel sagen. Ich habe ja keine elektrischen Tests gemacht.

Dem Händler, bei dem die Fölls das E-Bike gekauft haben, möchte ich aber auch keinen großen Vorwurf machen. Die Leute dort haben einfach nicht das Know-how, solche Akkus vor dem Verkauf zu testen. Außerdem haben sie sich ja sofort bereit erklärt, den Akku zu tauschen. Für die Lieferschwierigkeiten des Ersatzakkus aus China kann der Laden natürlich nichts.

Wenn du gerade selbst über den Kauf eines E-Bikes nachdenkst, ist es vielleicht eine gute Idee, den Verkäufer oder die Verkäuferin zu fragen, wie lange das Fahrrad schon im Laden steht und ob die Batterie gelegentlich kontrolliert und geladen wurde. Wenn das Fahrrad schon länger steht und nicht gepflegt wurde, könnte der Akku so wie bei den Fölls tiefentladen und nicht mehr zu retten sein und du kannst dann nicht sofort mit deinem neuen E-Bike durchstarten.

Ich finde es immer wieder spannend, mich in die Herausforderungen bei der Batterie- und Akkuentwicklung reinzudenken und optimale Lösung zu finden, egal ob es um Akkus aus dem Bereich E-Mobilität oder um ganz andere Anwendungen geht. Wenn du auch einen Akku entwickeln möchtest oder vor unlösbaren Problemen bei der Entwicklung einer Akku- oder Batterielösung stehst, dann melde dich doch mal bei mir und wir schauen uns das gemeinsam an. Ruf mich einfach an (07151 959 30 22), schreibe mir eine Mail (info@accundu.de) oder in Whatsapp. Ich freue mich auf jede Herausforderung!

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